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Athos, der genussreiche Heilige Berg

     

Diesen „Garten der Gottesmutter“ darf eine Jungfrau Maria betreten, aber sonst kein weibliches Wesen. Das Ávaton als Einreiseverbot gilt auch für Vierbeiner. Darum ranken sich manche sagenhafte Erzählungen wie jene, das man Hennen nur hielt, weil Eigelb sich bestens zur Ikonenmalerei eignet. Und jede Katze duldet zum Schutz vor Mäuseplagen.

Von Mythen zu Fakten: die halbautonome Mönchsrepublik auf dem östlichen „Finger“ der Halbinsel Chalkidike, rund 340 qkm groß und 43 km lang, gipfelt beim südwestlichen Ende im Berg Athos, 2033 Meter hoch. Sie riegelt sich von der banalen Außenwelt wie der Oberhoheit Griechenlands ab durch 5 Kilometer Zaun und Mauer. Etwa 2000 Mönche – Tendenz schwankend – zählt der sakrale orthodoxe Staat, in dem russischen, dem serbischen und dem bulgarischen Kloster wie in den 17 griechischen Klostergemeinschaften. Ferner leben auf Athos auch ein paar Polizisten oder sogar Postbeamte – Briefmarken vom und aus diesem UNESCO-Weltkulturerbe sind begehrt.

Natürlich kommt es mal zu unerlaubten Grenzübertritten, aus Protest oder Neugier. Jedoch ist das Leben der Mönche eher entbehrlich und abgewandt als besonders aufregend, erscheint uns meist fremd und fast befremdlich. Die Uhren gehen hier anders, tatsächlich. Mit Sonnenuntergang ist es Null Uhr wie einst in Byzanz und heut beinah zwei Wochen früher. Man zählt die Tage nach dem julianischen Kalender, nicht nach dem gregorianischen wie wir. Was aber reizvoll sein kann, sich wieder- und zurechtfinden in einer anderen Zeit und im uns ungewohnt geistigen Raum. Maximal 120 Mann dürfen täglich die Grenze passieren, davon generell lediglich 10 nicht orthodox gläubige Ausländer. Alle landen in Dafni an, dem Hafen für Einreiseberechtigte.

Küstentour mit Klosterblick für alle

Als Einreiseerlaubnis dient das Diamonitirion, notwendig bereits für den Besuch des Weingutes Metochi Chromitsa nicht weit vom gut bewachten Grenzzaun. Dieses exotisch anmutende Dokument gestattet den Aufenthalt von bis zu vier Tagen mitsamt Übernachtung, dazu Speis und Trank in drei (eines pro Nacht) der zwanzig bewohnten Klöster und „Skiten“, meist kleinen Siedlungen wie das Weingut. Gegen Entgelt von derzeit 25 Euro erhält Mann es, zierlich gestempelt und mit den Signaturen von vier Äbten aus den Gemeinschaften versehen, im Pilgerbüro von Ouranoupoli. Für Bootsfahrten entlang der Küste in dem gebührenden Abstand von 500 Metern zum Ufer ist es nicht erforderlich.

Foto: Matthias Dikert
Foto: Matthias Dikert

So legen wir also ab, Frauen, Männer und Kinder beiderlei Geschlechts an Bord des Ausflugsdampfers. Der Hafen von Ouranopoli, dem letzten Ort vor der Mönchsrepublik, mit trutzigem Turmbau, nun Museum, und kleiner Kapelle am Rande bleibt zurück – samt kommerziellen Verlockungen. Unter Deck im Shop gibt’s dafür diverse Devotionalien wie Weihrauch und Myrte segensreich verströmendes Parfum. Aber fast alle Passagiere stehen lieber schon an der Reling und halten Ausschau. Es kreischen die Möwen um uns, am steinigen Ufer steht verlassen wohl ein Lagerhaus. Neu auf alt getrimmt, zieht schmuck der Dreimaster an uns vorbei. Da, erstes Kloster in Sicht! Meyali Moni aber gilt als Kirche. 180 Klöster zählte Athos einst, nun nur noch zwanzig. Von ferne grüßen Moni Zographou und Constamonitou. Unten am Wasser stehen deren Arsenale fest gefügt und teils neu mit roten Ziegeln gedeckt.

Dann erhebt sich doch noch Moni Docheiariou vor unseren Augen. Steil steigen die Klostermauern an, ‚eine feste Burg’ und als Krönung ein Turm und keine Kuppel. Es wurde im 11. Jh. gegründet und bald reichlich von Kaiser Michael VII. Doukas gefördert. Nach der Brandschatzung durch Piraten 1578 aufs Neue hochgezogen mit dem Glockenturm als die letzte Erweiterung im 18. Jahrhundert. Hauptanziehungspunkte im Klosterkomplex sind die Fresken der Kretischen Schule in der Kirche und die wundertätige Ikone der Muttergottes in der Gorgoepikos-Kapelle. Nur einige Bootsminuten später gehen wir vor Moni Xenofontos in Position. Dieses Kloster förderten die Fürsten der Walachei im 16. wie 17. Jh. und auch seine alte Kirche schmücken Fresken der Kretischen Schule, ausgeführt um 1544 von Meister Antonius. Breit hin gelagert erstreckt sich die Klosteranlage vor unseren Augen, behäbig wäre da nicht der wehrhafte Mauerkranz des stattlichen Gevierts mit seinen aufgesetzten Gebäuden. In Lila und Rot ragen aus erkennbar begrüntem Innenhof sechs Kuppelbauten empor.

Heiliges Highlight jeder Halbtags-Bootsfahrt entlang des Athos ist Moni Panteleimonos. Eine kleine Klosterstadt – sowie russische Exklave am Mittelmeer seit 250 Jahren. Rossikon wie es deshalb auch genannt wird erlebte dank der huldreichen Hand von russischen Zaren einen steilen Aufstieg. Mehrfach um- und ausgebaut, wurde es mit über 2000 Mönchen vor 100 Jahren das bedeutendste Kloster – mit der größten Glocke Griechenlands, oder zumindest der zweit-schwersten. Als wertvollste Reliquie gilt der Kopf des Heiligen Panteleon. Auch wer nicht gläubig ist erfreut sich an der grünen Dachlandschaft mit Kreuzen und Kuppeln. Wladimir Putin besuchte Rossikon am 9. September 2005 und es gefiel ihm so gut wie alle russischen Zaren vor ihm, die jemals hier waren. Wir Mannsbilder besuchen lieber – das Weingut vom Kloster. Mit köstlicher Küche. Denn was die Mönche machen, mundet meistens. Wenn es auch nicht immer – wie hier bei Epifanios – danach aussieht.

Foto: Mount Athos Area Organisation
Foto: Mount Athos Area Organisation

Zuerst aber tuckern alle noch ein Stück Halbinsel entlang. In der Ferne zeigt sich wenn auch recht wolkenverhangen der eigentliche Berg Athos. Vorbei am Anleger von Dafni umrunden wir Kap Kastanias und folgen einer meist locker bewaldeten selten kahlen Küste die streckenweise steil ins Meer abfällt. Oberhalb einer Bucht liegt in 230 Meter Höhe auf Fels gebaut Moni Simonos Petras. Gegründet zur Mitte 14 Jh. vom Heiligen Simon erscheint das Kloster so nah am Himmel als für die Ewigkeit fest gefügt. Oft wurde es aber ein Opfer der Flammen. Die beiden nächsten Gottesburgen und unsere letzten auf der Bootstour hatten etwas mehr Glück. Moni Grigoriou sowie Moni Dionissiou entstanden nach Bränden neu mit sehenswerten Wandgemälden. Sie konnten ihre bedeutenden Bibliotheken und wundertätige tragbare Ikonen als sakralen Schatz bis heute hüten. Wer sich die vier Tage Zeit als Pilger auf Wanderschaft nimmt, wird auch noch die eine oder andere Einsiedelei, „Kellion“ genannt, entdecken. Wir aber kehren bereits nah am Berg Athos mit Blick auf ein vermutlich verlassenes Kloster um – zurück nach Ouranoupoli in der weltlichen Erde.

Ein Wein für Kenner und den Kreml

1969 ging Evangelos Tsantalis auf die Pirsch. Er jagte auf Athos – erstaunlich. Ein Ungewitter zwang ihn in Metochi Chromitsa Zuflucht zu suchen. Der Orkan verzog sich, und bei klarer Sicht sah der gelernte Winzer einen verlassenen Weinberg vor sich – und dessen ertragreiche Zukunft. Wir lauschen der Geschichte auf der Terrasse vom Pavillon, wo Gästegruppen gern gute Tropfen kredenzt werden. Mitten im Rebland, mit Blick übers Meer. Schlendern dann durch die sakrale Anlage, bevor unser kundiger Begleiter Christos Bitzios, Regionalmanager bei Tsantali, hinab in den Keller bittet zur lockeren Weinprobe.

Foto: Foto: Matthias Dikert
Foto: Foto: Matthias Dikert

„Kormilitsa“ nennen die Russen das Klostergut, eigentlich bezeichnet das Wort Nahrungsgeber(in) wie die stillende Mutter. Wir finden, dass passt gut zum Wein, den Putin im Kreml auftischt. Beim Bankett im Rossikon wurde ihm ein alter Roter serviert. Seit 2007 ist Tsantali mit „Kormilitsa Gold“ offizieller Hoflieferant. Nur 5450 Flaschen maximal werden pro Jahrgang abgefüllt, alle sind mit dem Wappen vom Kreml geschmückt und jeder Rotwein ist nummeriert. 70% Cabernet Sauvignon, notieren wir, und 30% Limnio, eine autochthone Sorte, die man wohl zuerst auf der Insel Limnos anbaute. Reift zuerst 24 Monate in Eichenfässern, danach in der Flasche. Was der Kreml von der limitierten Auflage nicht abnimmt, kommt in den Handel – und wird beispielsweise in Ouranoupoli für schlappe 180 Euro an Frau oder Mann verkauft.

Die nicht vergoldete Kormilitsa-Kollektion umfasst zwei Rote sowie einen Weißen aus Assyrtiko und Chardonay-Trauben. Tsantali, einer der bedeutendsten Produzenten in Nordgriechenland, setzt sich önologisch auf Athos für den ökologischen Weinbau ein. Nicht nur bei Kormilitsa. Auch beim Agiorotiko Abaton als limitierter Bio-Wein mit Kultstatus – Rebsorten sind wieder Cabernet Sauvignon und Limnio. Er nimmt sich neun Monate Zeit zur Reifung im Barrique. „Noten von dunklen Beeren, Pfeffer im Duft“ ertasten Sinnesorgane beim Tasting. Der Agathon wurde vielfach prämiert, beim Agathon X werden die besten Bio-Trauben separat mit der Hand gelesen. Als Laien halten wir uns eher ans Optische. An allerlei präsentierte Fässer im Weinkeller, an die Kunstobjekte dort, altes Winzergerät – und an die Bocksbeutel. Beinah wie in Mainfranken. Aber so wundervoll kalligraphisch verzierte Etiketten gibt’s dort kaum. Am schönsten beim Agioritikos rosè, ein Cuvee aus den autochthonen Sorten Xinomavro, Limnio und Roditis. „Im Duft Aromen von Erdbeeren und Kirschen“. Auch der edelsüße Agioritiko Mana findet seinen Liebhaber.

Rund hundert Hektar baut Tsantali hier ökologisch an. Bis auf 200 Meter Höhe, terrassenförmig. Sandige, tiefe Böden, arm an organischen Substanzen, aber die Unterböden sind reichlich gesegnet mit Spurenelementen, mit kristallinen Kieselsteinen welche zum fruchtigen Charakter und zum fülligen Körper der Weine beitragen. Das glauben wir gern in dieser heiligen Atmosphäre. Und speisen dann oben in einer adretten Gaststube, nebenan von der Bibliothek und den Gemächern für die Nacht ganz genussvoll. Die Küche ist kleiner als eine Kombüse. Jedoch die Gerichte werden mit viel Liebe und großem Herzen hergestellt. Authentisch ist zum Modewort geronnen, aber dank den Mönchen vom Wein war’s wahrlich so – bei Gott.

Kouzina – der Heilige Berg tischt auf

Jedes Jahr von Ende Mai bis Anfang Juni kommt die Küche vom heiligen Berg in dessen Umland genuin zur Geltung. Als erstes sind wir bei Nick und Miranda zu Gast, sitzen bei Sonnenuntergang mit Blick zur Insel Amoliani auf deren Terrasse vom logo „Athos“ und lassen es uns schmecken.

Foto: Matthias Dikert
Foto: Matthias Dikert

Das von Touristen gut besuchte Restaurant zeigt sich beim Food Festival von seiner besten Seite. Besonders in punkto Fisch erweist sich die gastronomische Location als richtige Wahl. Denn die Mönche essen ja keinerlei Fleisch, sondern nur Meeresgetier, dazu Gemüse und Früchte, Kräuter und Nüsse. Das leckere Dessert würden sie wohl auch nicht als Teufelszeug abweisen. Obwohl, teuflisch gut war es schon. Und da Fisch bekanntlich schwimmen muss, lohnt sich der Griff ins volle Weinregal. Kormilitsa gibt’s bestimmt.

„Siehe, Athos isst anders“ sagt Jotta

Nun sind wir auf den Geschmack dieser echten Ökoküche gekommen und lassen uns gerne in ihre Geheimnisse und Rezepturen einführen. Wer wäre dazu besser geeignet als Jottta Mitsiou-Polychronidou aus Thessaloniki, Philologin, TV-Chefköchin und Autorin des Werks „Griechenland isst anders“. Und Athos ja ohnehin. In den Klöstern und Skiten ernährt Mann sich von dem, was Erde und Meer hergeben auf sowie am Heiligen Berg. Ihren Felsen empor kletterten die kultivierten Terrassen bei den drei letzten Klöstern, die wir während der Bootsfahrt zu Gesicht bekamen. Gepflegt sind die Gemüsegärten auf Athos und nur selten verfallen. Jotta weiht uns Laien ein: „Mönche kochen alles, sie braten und frittieren nie“. Und sammeln an Wildkräutern, was bei ihnen nicht vor der Pforte wächst. Athos ist und bleibt ein Bio-Paradies, wenn es so, fast unberührt, weiter existieren kann – und das die Halbinsel umgebende Meer noch lange von störenden Umwelteinflüssen verschont wird.

Foto: Matthias Dikert
Foto: Matthias Dikert

Darauf stoßen wir alle an mit unserem Gastgeber Grigoris, dessen Weinlager gut gefüllt ist. Seine Familie produziert auch edles natives Olivenöl – und betreibt bei Ouranoupoli in bester Strandlage ein Camping mit Bungalows. Aus der – für uns – Schauküche der Taverna kommt ein Gedicht von Gericht nach dem anderen. Fischsuppe frisch vom Fang – heute war wohl Zackenbarsch im Netz. Hinein mit Möhren und Zucchini und würzigen Kräutern vom Berg. Ein Salat mit viel Rukola und Wildkräutern, Nüssen, Honig, natürlich Olivenöl und vermutlich etwas Essig servieren Jotta und ihre hiesige Assistenzköchin. Grigoris zeigt uns eine Menge von Seeigeln – stehen die auch noch auf dem Speiseplan? Jetzt gibt’s den Hauptgang: Seebrasse mit Zitronensauce, im Ofen samt griechisch gefertigten Kartoffelscheiben gut gedünstet. Einfach lecker. Und der Nachtisch, traditionell Halva, schmeckt mit Kirsche herrlich. Die Seeigel heben wir uns besser auf fürs nächste Mahl. Liebe Kouzina, wir kommen wieder!

Aber wenn, dann ins „Eagles Palace“. Das Traditionshotel, äußerst stilvoll und erstes Haus am Heiligen Berge nimmt nicht nur Architekturformen der Athos-Klöster auf – hier bereitet zur Kouzina der Mönch Epifanios die Speisen vor. Und authentischer geht’s nicht außerhalb von Athos. Wir aber logierten im „Alexandros Palace“.

Foto: Matthias Dikert
Foto: Matthias Dikert

5 Sterne, mit einer Pool- und Parklandschaft auf 60 000 qkm, mit Sandstrand und Spa und auch mit regionaler Küche im Angebot. Vor allem aber mit einem Panoramablick auf Amoliani, Ägäis und sogar Athos, der wirklich fünf Sterne wert ist.

Weitere Informationen bei:

Mount Athos Area Organisation
GR-63075 Ouranoupoli
Telefon & Telefax: 0030 23770 / 211 39

Griechische Zentrale für Fremdenverkehr
Holzgraben 31
60313 Frankfurt am Main
Tel. 069 / 25 78 27 11

Text: Christoph Merten
Fotos: Matthias Dikert/Mount Athos Area Organisation

     

Alexandra Rüsche

Alexandra Rüsche ist Chefredakteurin von Reiseratgeber24. Als Reisejournalistin hat sie seit der Gründung des Mediums (2009) sehr viele Erfahrungen auf Pressereisen machen können. Ihre persönlichen Reiseerlebnisse schreibt sie sehr ausführlich und nutzt ihre langjährigen Erfahrungen in der Videoproduktion und Fotografie. Sie ist unter redaktion@reiseratgeber24.de erreichbar.
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